Die Fenster

Einführender Text

 

 

 

Links vom Altar befindet sich das Fenster
„Gottes Herrlichkeit in der Welt.“
Von der Krippe über das Kreuz bis Pfingsten.

 


Rechts vom Altar befindet sich das Fenster  
„Die Wurzel Jesse“ nach Jesaja 11, 1.

 

 

 

 

 

Eine besondere Abhandlung gibt es über die vier Fenster auf der Westseite unserer Kirche. Eine Arbeit von Brigitte Müller

Das Johannesfenster

An einer der acht Seiten des Kirchbaus öffnet sich der Eingang. Gleich nach der Holztür fällt der Blick durch die Glastür in die lichte Kirche. Schon unter der Orgelempore weitet sich der Raum, nach rechts in den Altarbereich, in der Konstruktion der Deckenbalken abgehoben als eigene Sphäre. Wie ein Zelt spannt sich einladend die Holzdecke bis zur gegenüberliegenden Wand; vier schmale hohe Fenster fangen die Aufmerksamkeit ein. Die Laibungen führen stufenweise abwärts über abgewinkelte Mauersegmente zum Altarraum hin. Die künstlerische Gestaltung hat die Fenster miteinander verbunden: beinahe scharfkantig, in der Länge nach unten gezogene, rechteckige Flächen – je zwei bilden farblich gesehen eine Einheit, braun-violett bzw. blau-violett. Ein fließendes helles breites Liniengebilde reißt die Flächen auf und unterbricht sie mit seiner Bewegung. Soweit der erste augenfällige Eindruck, der zu einer Interpretation auffordert.

Betrachten Sie die großflächigen in sich abschattierten Glaselemente. Erst jetzt kommt ein blauer Streifen im linken Fenster, ganz rechts, von oben ins Spiel. Mit dem „Blau“ ereignet sich etwas, es bricht auf, es wird unterbrochen, es setzt abwärts strömend seinen Weg fort, sammelt sich und wird sichtbar im zweiten Fenster, unterhalb des Linienflusses. Es wird fortgetragen, hauchdünn, zum dritten Fenster, in dem es den Grund bildet und oben über dem Fluss sich füllt, anschwillt, sich spiegelt, heller leuchtet.
Im vierten Fenster wendet sich das Blau mit einem scheinbaren Abschluss nach außen, und die Linien verbreiten sich ins Unendliche. Jetzt lässt sich das Kunstwerk in Beziehung auf Verse aus dem Johannesevangelium Kapitel 1 setzen, die die Menschwerdung Jesu behandeln. „Und die Weisheit wurde Materie und wohnte unter uns, und wir sahen ihren Ganz, einen Glanz wie den eines einziggeborenen Kindes von Mutter und Vater voller Gnade und Wahrheit." (Joh 1, 14)

Dreidimensional baut sich aus den braunen und violetten Tönen ein Gebäude auf und bildet mit einer weiten, zeltartig gespannten Decke, Fenster-höhlungen, Empore, Kanzel einen Raum, in dem sich Menschen versammeln können. Im blauen Band fällt aus schöpferischem Anfang die ruach ein, Weisheit in Gott, senkt sich tiefer in den Raum und lässt Zelt, Tempel, Kirche zu einem für Gott geheiligten Ort werden. „Am Anfang war die Weisheit und die Weisheit war bei Gott und die Weisheit war wie Gott." (Joh 1, 1.2) 

Wo das Band mit hellem Schein unterbrochen wird, setzt alles Leben ein. In Weisheit teilt sich Gott den Menschen mit, und die irdische Gemeinde aus Frauen und Männern entsteht als neue Schöpfung, die von Gott vom Wort Gottes angeredet wird und sich wie in einem breiten Strom fortsetzt. Diese Kraft sprengt und verschiebt Mauern, nimmt die verschiedenen Begabungen auf und lässt sie in vielfältiger Weise wirken. „Alles ist durch die Weisheit entstanden und ohne sie ist nichts entstanden. Was in ihr entstanden ist, war Leben, und das Leben war das Licht für die Menschen… Allen denen aber die sie angenommen haben, denen gab sie Vollmacht, Kinder Gottes zu werden.“(Joh 1, 3.4.12)

Wer sich auf das Zuwenden der göttlichen Gegenwart, der shekinah, nicht einlässt, versinkt in Gottesferne und verharrt dort. Dennoch wird die ruach ihnen weiterhin entgegenkommen; das dunkle Blau am Fenstergrund spricht davon (v 5. 10. 11). Über den Kindern Gottes leuchtet der Glanz der Ewigen (v 12). Die feinst gesponnenen Drähte im oberen Sektor weisen darauf hin, dass der Einbruch göttlicher Gnade und Wahrheit durch das Mensch-Werden Jesu alles zusammenhält, aber immer auch menschliches Wollen, Denken und Handeln irritiert (v 14).

Über den Hinweis des Künstlers Jakobus Klonk hinaus lässt sich in der strömenden Bewegung zugleich das Pfingstgeschehen entdecken: Hier sind es nicht die Feuerflammen über den Häuptern der Frauen und Männer in der Versammlung (Apostelgeschichte 2), sondern die physische Bewegung, die die Glaubensgemeinschaft ergreift und sie zum Verkündigen treibt. 

Brigitte Müller